Bernd, du bist von Anfang an dabei und kennst wie sonst kaum jemand die Geschichte von ProAsyl. Wie kam es zur Gründung des Vereins und in welchem Kontext ist er entstanden?
Es war 1991. Zu dem Zeitpunkt gab es in Essen schon an die 40 Standorte von Übergangswohnheimen und da hatten sich vielerorts kleine Arbeitsgruppen gebildet. Heute nennt man so etwas „Runde Tische“. Die machten die Kleinarbeit vor Ort: Hausaufgabenhilfe, Spielen mit den Kindern, Kleiderkammern betreiben. Und irgendwann Anfang des Jahres 1991 haben sich alle Arbeitsgruppen bei einer Veranstaltung im Rathaus getroffen und da haben wir beschlossen: „Das müssen wir beibehalten. Wir müssen uns zusammentun! Und zwar nicht nur, um hier und da zu retten, was zu retten ist. Nein, wir wollen auch stärker werden, damit wir uns politisch einmischen können.“ Also zum Beispiel gegenüber der Stadt, dem Land, dem Bund, um auf Missstände hinzuweisen und konkrete politische Forderungen zu stellen. Und so kam es, dass wir noch im selben Jahr den Verein gründeten. Der hieß erst „Pro Asyl Essen gegen Rassismus“. Dann stießen nach kurzer Zeit die Mitglieder des eingetragenen Flüchtlingsrats Essen dazu und wir nannten uns „ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen“.
Wie war das Anfang der 1990er Jahre? Was beschäftigte euch? Welche Probleme gab es?
Die Probleme damals waren ähnlich wie heute. Sie waren jedoch anfangs für die Flüchtlinge nicht ganz so hart. Damals hatten wesentlich mehr Menschen eine Chance, anerkannt zu werden, weil es schlichtweg weniger Flüchtlinge gab als heute. Die Zahl nahm erst 1992 zu als der Höchstwert von 440.000 Flüchtlingen in Deutschland erreicht wurde. Das war zur Zeit des Jugoslawienkrieges. Das Ganze mündete dann in den sogenannten Asylkompromiss von 1993, das verschärfte Asylgesetz, wodurch viele Flüchtlinge von Deutschland ferngehalten wurden.
Welche Bedeutung hatte die Verschärfung des Asylrechts für die Geflüchteten?
Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde eingeführt, wodurch die Menschen weniger Geld bekamen, etwa zwei Drittel des damaligen Sozialhilfesatzes, den Deutsche bekamen. Aber der Schwerpunkt lag schon damals auf der Abschottung Deutschlands durch die Definition sicherer Drittstaaten. Wer also beispielsweise über Italien einreiste, konnte schon damals in Deutschland nicht mehr als asylberechtigt anerkannt werden. Das war der Ursprung dessen, was heute europaweit als „Dublin-Verordnung“ bekannt ist.
Welche Erfolge konntest Du, konnte ProAsyl in all den Jahren feiern?
Es gab und gibt unglaublich viele Erfolge, sonst könnte man die Arbeit gar nicht machen. Wenn alles immer nur frustrierend wäre, dann ginge es bestimmt nicht. Wir haben immer wieder Flüchtlingen helfen können, auch wenn es manchmal nicht die gewünschte Lösung gab. Erfolgreich waren wir oft, indem wir die Ausländerbehörde darauf aufmerksam machten, dass es doch noch unter Berücksichtigung des Paragraphen XY die Möglichkeit gäbe, den Aufenthalt zu verlängern oder zu verfestigen. Wir sind ja auch sehr aktiv im Schreiben von Petitionen und Härtefallanträgen. Da wir mit diesen Verfahren durch unsere lange Erfahrung sehr gut vertraut sind, glaube ich, dass unsere Anträge sehr substanziell und professionell gestellt sind und es hat sich gezeigt, dass wir damit schon oft Erfolg hatten.
Seit 25 Jahren bist du dem Verein schon treu. Du warst haupt- und ehrenamtlich aktiv und bist Ehrenvorsitzender. Was ist für dich persönlich das Besondere an ProAsyl?
Wir beraten Flüchtlinge wie andere Organisationen auch. Der Unterschied ist, dass wir nicht von städtischem Geld abhängig sind. Und das macht uns natürlich freier. Wir können auch mal die Klappe aufmachen. Wir können auch etwas energischer mit Forderungen an die Ausländerbehörde herantreten und auf mögliche Ermessensspielräume hinweisen. Natürlich wollen wir nicht, dass ein Mitarbeiter der Kommune Gesetze missachtet, aber bei den meisten Paragraphen gibt es Ermessensspielräume. Und da wünschen wir uns immer noch, und das schon seit 25 Jahren, dass doch öfter mal dieser Ermessensspielraum pro Flüchtling ausgelegt würde. Leider haben wir bei manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl, dass genau das eben nicht passiert. Und daran arbeiten wir nach wie vor.