Beratungszeiten

Offene Sprechstunden:

  • Dienstags von 14 bis 17:30 Uhr
  • Donnerstags von 14 bis 16:30 Uhr

Terminsprechstunde:

  • Mittwochs von 10 bis 12 Uhr

ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e. V.

Friedrich-Ebert-Str. 30
45127 Essen
Telefon: 0201 – 2 05 39
Telefax: 0201 – 22 00 387
Mail: info(at)proasylessen.de

Mitglied werden

Fördermitgliedschaft

Buchen Sie uns!

Schulungsangebote

Nach fast zehn Jahren endlich wieder vereint!

Aufgrund der Kriege und der ständigen Bedrohung durch die Taliban ist Afghanistan seit Jahren eines der Hauptherkunftsländer Asylsuchender in Deutschland. Nach der Machtübernahme der Islamisten 2021 hat sich die Lage dramatisch verschlechtert. Nur wenige Menschen konnten durch das Aufnahmeprogramm der Bundesregierung in Sicherheit gebracht werden. Eine der wenigen übrig gebliebenen legalen Möglichkeiten nach Deutschland zu fliehen, ist ein Visum zum Familiennachzug.

Als hochrangiger Polizist hat Ahmad Rezai* in Afghanistan unter anderem mit der Bundeswehr zusammengearbeitet und ist dadurch ins Visier der Taliban geraten. 2015 flieht er mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern nach Deutschland. Aus seiner ersten Ehe hat er drei weitere Söhne, die zunächst in Afghanistan bleiben. Die Mutter der Söhne ist verstorben. Sein Asylverfahren zieht sich in die Länge, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunächst nur ein sogennates Abschiebungsverbot feststellt. Erst vor dem Verwaltungsgericht wird Ahmad Rezai 2021 die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen.

Nach der Machtübernahme der Taliban ist klar, dass auch die Söhne nicht länger in Afghanistan bleiben können. Sie verstecken sich bei der Großmutter. Ahmad Rezai wendet sich unmittelbar nach seinem Asylverfahren an uns und bittet darum, ihm beim Nachzug seiner Söhne zu unterstützen. Als anerkannter Flüchtling ist er berechtigt, seine zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Söhne nach Deutschland zu holen. Die dreimonatige Frist, in der anerkannte Flüchtlinge den privilegierten Familiennachzug (auch ohne Lebensunterhaltssicherung) beantragen können, ist gewahrt. Rein rechtlich ist damit alles klar. Das Problem liegt in der Praxis: Die deutschen Botschaften in den Nachbarländern Afghanistans, die seit der Schließung der Botschaft in Kabul für die entsprechenden Visaanträge zuständig sind, sind vollkommen überlastet.

In solchen Fällen müssen wir unseren Klient*innen die unbequeme Tatsache vermitteln, dass der Familiennachzug ein komplexes und mitunter jahrelanges Verfahren ist. Es braucht viel Geduld auch für uns Beratende. Nachdem wir die Kinder von Herrn Rezai bereits Ende 2021 auf die Warteliste für den Familiennachzug gesetzt haben, passiert lange Zeit nichts. Wir kontaktieren immer wieder die International Organisation For Migration (IOM), die beim Familiennachzug vor Ort unterstützen soll, und die deutsche Botschaft in Pakistan, reichen Unterlagen ein und erkundigen uns nach dem Sachstand. Wir müssen Herrn Rezai immer wieder vertrösten und erhalten nur spärliche Informationen von IOM und der Botschaft. Hier ist unsere psychosoziale Kompetenz gefragt. Denn Ahmad Rezai verzweifelt zunehmend an der deutschen Bürokratie und hat große Angst, dass seinen Kindern etwas zustößt.

Erst als wir im Frühjahr 2023 auf die nahende Volljährigkeit des ältesten Sohnes hinweisen, kommt Bewegung in das Verfahren. Im März 2023 erhalten die Söhne endlich einen Termin zur Vorsprache bei der Botschaft in Islamabad. Wir bereiten gemeinsam mit Herrn Rezai die Antragsformulare vor und überprüfen, ob alle Unteralgen vorliegen. Herr Rezai muss, wie zuvor bei der Passbeschaffung, viel Geld zahlen, damit die Söhne ein Visum für Pakistan erhalten. Nur so ist es möglich, in der Taliban-Diktatur die nötigen Dokumente zu beschaffen. Nach dem Termin müssen weitere Nachweise, wie die Sterbeurkunde der Mutter, vorgelegt werden. Dann folgt abermals das lange Warten. Sachstandsanfragen bleiben unbeantwortet. Über ein Jahr hören wir trotz mehrmaliger Nachfrage nichts von der Botschaft.

Wir sind kurz davor den Fall an einen Anwalt abzugeben, als uns endlich gute Nachrichten erreichen: Das Visa-Team des Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten, das zur Entlastung der Botschaften eingesetzt wird, übernimmt im November 2024 den Fall und plötzlich geht alles sehr schnell. Herr Rezai besorgt abermals Visa, damit seine Söhne nach Pakistan einreisen können. Wir reichen weitere Unterlagen beim Visa-Team ein und im Januar 2025 ist es dann endlich so weit: Nach über drei Jahren Visumsverfahren und fast zehn Jahren der Trennung erhalten die Söhne endlich die nötigen Visa und reisen nach Deutschland. „Ich bin Ihnen unendlich dankbar, dass Sie nicht aufgegeben und uns über all die Jahre unterstützt haben“, sagt Ahmad Rezai sichtlich gerührt, als er uns kurz nach Neujahr die freudige Nachricht mitteilt. Und dann stehen da plötzlich ein Teenager und zwei junge Männer in unserer Geschäftsstelle und lächeln überglücklich. Besser hätte das Jahr 2025 nicht beginnen können!

 

*: Name geändert