Integration ist in Deutschland immer noch ein Imperativ, der Neuankömmlingen gerne mit einigen Ausrufezeichen versehen entgegen hallt. Die Sprache wird gemeinhin als Schlüssel zur Integration bezeichnet. Die Schlüssel-Metapher hat sicher ihre Berechtigung: wer sich in Deutschland zu Recht finden und Kontakte knüpfen möchte, muss sich verständigen können und deshalb kann der Sprachschlüssel viele Türen öffnen. Doch die zentrale Eingangstür für Geflüchtete hat außen kein Schloss und im Asylverfahren kann die Tür ganz schnell wieder zugehen, ganz egal, wie gut man sich integriert.
Als Sadio Touré* und Aissatou Baldé* 2016 zum ersten Mal in unsere Beratungssprechstunde kommen, ist die Tür, um im Bild zu bleiben, schon fast wieder geschlossen. Ihre Asylanträge werden als „unzulässig“ abgelehnt, weil sie zuvor schon in Belgien einen Asylantrag gestellt haben. Zunächst müssen die beiden also einen Fuß in die Tür bekommen. Mit unserer Unterstützung gelingt es ihnen, dass Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon zu überzeugen, dass das Asylverfahren in Deutschland betrieben werden muss. Sadio Touré sitzt zu dieser Zeit im Rollstuhl. Ohne seine Ehefrau Aissatou Baldé wäre er kaum dazu in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen.
Die Möglichkeit, das Asylverfahren in Deutschland zu betreiben, verschafft Sadio Touré und Aissatou Baldé endlich die Ruhe, die sie brauchen, um sich psychisch zu stabilisieren. Denn beide sind stark traumatisiert. Wir vermitteln ihnen Therapie-Plätze beim Psychosozialen Zentrum (PSZ) in Düsseldorf. Auch im Asylverfahren stehen wir ihnen zur Seite und begleiten sie zur Anhörung beim BAMF. Angela, eine Ehrenamtliche aus unserem Projekt AsylFairFahren, unterstützt im Alltag. „Wenn wir sie brauchen, ist sie immer für uns da. Egal, welches Thema: Doktor, Schule finden zum Deutsch lernen, ... Sie hilft uns so viel, egal bei welcher Frage“ bedankt sich Sadio Touré bei der Ehrenamtlichen. Auch der Gesundheitszustand von Herrn Touré verbessert sich. Angela vermittelt ihm einen Physiotherapieplatz. Mittlerweile kann er sogar wieder aufstehen und mit Krücken gehen.
Der große Integrationsschlüssel Sprache stellt Herrn Touré und Frau Baldé vor eine besonders schwierige Aufgabe. Vor allem Aissatou Baldé hilft ein Alphabetisierungskurs, um selbstbewusster im Alltag zurecht zu kommen. Anfangs sehr verschwiegen und zurückhaltend geht sie heute offen auf andere Menschen zu und lebt ihr Leben wesentlich eigenständiger als zuvor. Die kleinen Erfolge erfreuen auch unsere Ehrenamtliche Angela: „Ich finde es besonders wichtig, die Geflüchteten, die Deutschland aufgenommen hat, bei der Integration zu unterstützen. Gerade die Teilhabe am Leben und Arbeit sind wichtig. Deswegen habe ich mich beim Projekt „AsylFairFahren“ angemeldet. Das erfreulichste an der Arbeit ist es, die konkreten Erfolge im Einzelfall zu sehen und mitzuerleben“
Nach fast fünf Jahren in Deutschland haben Sadio Touré und Aissatou Baldé nun die Gewissheit: Sie dürfen bleiben. Beiden wurde vom BAMF ein sogenanntes Abschiebungsverbot zugesprochen. Sie dürfen also nicht nach Guinea abgeschoben werden. Mit dieser Sicherheit können Sie ihre nächsten Schritte machen, um langfristig in Deutschland anzukommen. „Ohne euch wäre unser Leiden nie zu Ende gegangen. Das werden wir nie vergessen und wir können uns nur unendlich oft bedanken.“ Freundliche Worte wie diese von Sadio Touré sind es, die uns antreiben und motivieren. Wir wünschen den beiden alles Gute für die Zukunft.
*Namen geändert