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Sophies steiniger Weg zur Aufenthaltserlaubnis

Photo von Sophie

Unsere Beratungsstelle ist bekannt dafür, sich vor allem den schwierigen aufenthaltsrechtlichen Fällen in Essen anzunehmen. Zu diesen schwierigen Fällen gehören immer wieder Menschen, bei denen man sich auf den ersten Blick fragt, warum sie überhaupt unsere Sprechstunde aufsuchen. Sie sprechen fließend Deutsch, weil sie seit Jahren in Deutschland leben oder gar hier geboren und aufgewachsen sind, gehen zur Schule, machen eine Ausbildung oder arbeiten, wenn sie dürfen. Alles gut, sollte man meinen. „Wo liegt das Problem? Warum kommen sie zu uns in die Sprechstunde?“ fragen wir dann beim ersten Beratungsgespräch. Das Problem ist ein grün-rotes Stück Papier mit einem roten Strich darauf, nicht selten nach Jahren vollkommen zerfleddert und dürftig mit einem Kleibestreifen geflickt: Die Duldung. „Aussetzung der Abschiebung“ und „Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig!“ steht darauf geschrieben.

Sophie Dickson befindet sich seit über acht Jahren in der Sackgasse namens Duldung als sie kurz vor Weihnachten 2020 vollkommen aufgelöst zu uns in die offene Sprechstunde kommt. 2012 kam sie mit zwölf Jahren schwer traumatisiert nach Deutschland. Zu ihrem deutschen Vater hat sie keinen Kontakt, sodass sie die deutsche Abstammung nicht nachweisen kann. Er hat die Familie früh verlassen. Ihre Kindheit in Nigeria ist von familiärer Gewalt und Misshandlungen geprägt. All das wirkt bis heute nach. Nach ihrer Flucht nach Deutschland sind es diese furchtbaren Kindheitserfahrungen, die ihr in Teenager-Jahren immer wieder Schwierigkeiten bereiten. Sie lebt in einer Jugendwohngruppe und erlangt die Fachoberschulreife. Ihr fehlt jedoch die Orientierung und die nötige aufenthaltsrechtliche Unterstützung und ist lange Zeit nicht stabil genug, um eine Ausbildung abzuschließen. Deshalb verweigert die Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Sachbearbeiterin sieht Fehlzeiten in der Schule und abgebrochene Ausbildungen, aber nicht das Schicksal dahinter.

Doch Sophie Dickson gibt nicht auf. Sie absolviert ein freiwilliges soziales Jahr und fasst den Entschluss, das Fachabitur zu machen. Als sie Ende 2020 zu uns in die Sprechstunde kommt, hat sie eine klare Perspektive: „Ich werde das Fachabitur machen und will endlich eine Aufenthaltserlaubnis haben.“ Doch die Wunden ihrer Kindheit sind noch nicht verheilt. Hinzu kommt die große Angst vor einer Abschiebung nach Nigeria. Aufenthaltsrechtlich hilft in ihrem Fall nur noch ein Antrag bei der Härtefallkommission in Düsseldorf. Da die Abschiebung bereits angedroht wurde, muss es schnell gehen. Unmittelbar nach dem Jahreswechsel stellen wir den Härtefallantrag.

Solche Verfahren ziehen sich oft in die Länge und Sophie Dickson fragt oft: „Wie lange muss ich noch warten? Werde ich abgeschoben?“. Sie leidet vor allem unter der Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die die Duldung mit sich bringt. Sie darf nicht reisen und ist zur Wohnsitznahme in Essen verpflichtet. Immer wieder ist sie kurz davor, den Mut zu verlieren. Würde sie in dieser frustrierenden Situation die Schule abbrechen wären die Chancen im Härtefallverfahren dahin.

Zum Glück haben wir für solche Fälle seit ein paar Jahren einen kurzen Draht zu Esther Mujawayo-Keiner vom Psychosozialen Zentrum (PSZ) in Düsseldorf. Einmal pro Woche bietet sie bei uns eine therapeutische Sprechstunde an. Mit ihrer Hilfe gelingt es Sophie Dickson, weiter ihren Weg zu gehen. Im Juni 2021 erlangt sie die Fachhochschulreife. Sie arbeitet und sichert ihren Lebensunterhalt. Im August 2022 beginnt sie eine Ausbildung als Erzieherin. Die Härtefallkommission hat zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht entschieden. Im Februar 2023 ist es dann endlich so weit: die Härtefallkommission entscheidet zugunsten von Sophia Dickson und ersucht die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Sophie Dickson kann es kaum glauben: „Bin ich damit wirklich sicher? Werde ich jetzt eine Aufenthaltserlaubnis erhalten?“ Es braucht noch einige Absprachen mit der Ausländerbehörde, doch am Ende geht alles gut aus und sie erhält ihre Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG. Wir sind heilfroh, dass Sophie Dickson nach all den Jahren endlich eine sichere Perspektive in Deutschland hat und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft.